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Art. 130 SchKG     3. Freihandverkauf

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An die Stelle der Versteigerung kann der freihändige Verkauf treten:

  1. wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind;
  2. wenn Wertpapier, oder andere Gegenstände, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, zu verwerten sind und der angebotene Preis dem Tageskurse gleichkommt;
  3. wenn bei Gegenständen aus Edelmetall, für die bei der Versteigerung die Angebote den Metallwert nicht erreichten, dieser Preis angeboten wird;
  4. im Falle des Artikels 124 Absatz 2. 

Verfahrensmässiger Anwendungsbereich

Betreibung auf Pfändung: vgl. sogleich unten

Betreibung auf Pfandverwertung: Art. 130 i.V.m. Art. 156 Abs. 1 SchKG

Im Anwendungsbereich von Art. 132 und der VVAG: vgl. zu Art. 132.

Einverständnis aller Beteiligten (Ziff. 1)

Beteiligte

Begriff: Unter den Beteiligten sind alle Betreibenden mit definitiver oder provisorischer Pfändung des Vermögenswertes, welcher freihändig verwertet werden soll, zu verstehen, der Betriebene OGer ZH PS180037 E. 3.4. sowie Drittansprecher, solange über die Ansprache nicht rechtskräftig entschieden worden ist. AB GE DCSO/68/2019 E. 2.1. (mit Verweis auf eine Weisung der kantonalen Aufsichtsbehörden GE 10-02) AB GE DCSO/630/2018 E. 2.1.1. Verweis: vgl. auch Art. 143b Abs. 1.

Einverständnis

Zweck: Das Zustimmungsrecht der Beteiligten will diese vor Schaden schützen, wenn sie sich durch einer öffentliche Steigerung ein besseres Ergebnis erhoffen. OGer UR Z 16 3 (RB UR 2016/17 Nr. 2 in Bezug auf Art. 143b SchKG)

Form: Das Gesetz verlangt nicht, dass die Zustimmung einer besonderen Form unterliegt. Das Betreibungsamt ist frei, von den Beteiligten ein direktes und ausdrückliches Einverständnis zu verlangen. Es kann auch verlangen, dass die Beteiligten ihre Nichtzustimmung zu einem Freihandverkauf ausdrücklich manifestieren. Eine Formulierung, dass die Nichtäusserung als Zustimmung gilt, ist ebenfalls zulässig und wird in der Praxis verwendet. AB GE DCSO/68/2019 E. 2.1. Die Zustimmung kann ausdrücklich oder stillschweigend erteilt werden. AB GE DCSO/395/2008 E. 3 AB GE DCSO/619/2004 E. 4.b. contra: Ein Freihandverkauf erfordert das ausdrückliche Einverständnis aller Beteiligten. AB GE DCSO/630/2018 E. 2.1.1.

Kommentar 1: Die Zustimmung kann ausdrücklich oder konkludent erteilt werden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb nur ein ausdrückliches Einverständnis zulässig sein sollte. Den Ämtern ist jedoch empfehlen, eine schriftliche Zustimmung einzuholen, um Unklarheiten und Missverständnisse zu vermeiden.

Fristansetzung/Beachtlichkeit von später eingehenden Zustimmungen: Wenn das Betreibungsamt den Beteiligten eine Frist zur ausdrücklichen Zustimmung ansetzt (vgl. auch BGer 5A_1057/2019 Sachverhalt A, so kann eine Zustimmung auch noch nach Fristablauf erteilt werden, da es sich nur um eine Ordnungsfrist handelt. AB GE DCSO/68/2019 E. 1.1.

Zeitpunkt: Im Moment des Abschlusses des Freihandverkaufs muss die gültige Zustimmung aller Beteiligten vorliegen. OGer UR Z 16 3 (RB UR 2016/17 Nr. 2 in Bezug auf Art. 143b SchKG)

Unwiderruflichkeit: Eine einmal erteilte Zustimmung kann nach Fristablauf nicht mehr widerrufen werden. AB GE DCSO/68/2019 E. 2.1. Verweis: vgl. auch Art. 143b Abs. 1

Kein Gestaltungsrecht: Die Zustimmung zum Freihandverkauf gemäss Art. 130 Ziff. 1 SchKG ist kein Gestaltungsrecht.  BGer 5A_390/2020 E. 2.5.3

Bedingungen: Das Einverständnis kann auch Bedingungen (wie etwa der Erreichung eines Mindestpreises) unterstellt werden.  BGer 5A_390/2020 E. 2.5.3  AB GE DCSO/68/2019 E. 2.1.

Rechtsmissbräuchliche Verweigerung des Einverständnisses: Das Amt ist nicht an eine Verweigerung des Einverständnisses gebunden, welche als rechtsmissbräuchlich zu betrachten ist. AB GE DCSO/68/2019 E. 2.1. (mit Verweis auf BGE 115 III 52 – in welchem Entscheid aber nur gesagt wird, dass die Ausführungen der Vorinstanz, wonach die Nichtzustimmung nicht rechtmissbräuchlich sei, vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden sei; Hinweis des Verfassers) AB GE DCSO/194/2011 E. 2.1. Wenn sich ein Gläubiger aus sonderbaren Gründen zur angeblichen Wahrung seiner Interessen oder rein schikanös einem Freihandverkauf widersetzt, so ist seine Verweigerung zu ignorieren. AB GE DCSO/68/2019 E. 2.1. (mit Verweis auf SJ 2000 II 222) AB GE DCSO/194/2011 E. 2.1.

Objekte mit einem Mark- oder Börsenpreis (Ziff. 2)

Gepfändete Barschaft in Fremdwährung:Bei der Pfändung einer Barschaft in Fremdwährungen bedarf es eines Verwertungsverfahrens; der Währungswechsel stellt ein spezieller Anwendungsfall des Freihandverkaufs nach Art. 130 Ziff. 2 SchKG dar. . OGer ZH PP210059 E. 3.3.1  (im gleichen Sinne PP210054, PP210055, PP210056, PP210057, PP210058)

Kommentar 2: Dies triff m.E. höchstens für nicht frei konvertierbare Fremdwährungen (Barschaft oder Sichtguthaben) zu. Soweit die Fremdwährung (Barschaft oder Sichtguthaben) frei konvertierbar ist, hat das Amt eine Konvertierung bei einer Depositenanstalt (Art. 24 SchKG) zum Tageskurs zu veranlassen. Es findet kein Freihandverkauf an einen Dritten statt.

Gegenstände aus Edelmetall (Ziff. 3)

[soweit ersichtlich sind zu dieser Bestimmung seit 2000 keine Entscheide ergangen].

Vorzeitige Verwertung (Ziff. 4 i.V.m. Art. 124 Abs. 2 SchKG)

Verweis: vgl. zu Art. 124 Abs. 2