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Art. 143b SchKG      7. Freihandverkauf

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1An die Stelle der Versteigerung kann der freihändige Verkauf treten, wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind und mindestens der Schätzpreis angeboten wird.

2Der Verkauf darf nur nach durchgeführten Lastenbereinigungsverfahren im Sinne von Artikel 138 Absatz 2 Ziffer 3 und Artikel 140 sowie in entsprechender Anwendung der Artikel 135-137 erfolgen.

Verfahrensmässiger Anwendungsbereich

Betreibung auf Pfändung: vgl. sogleich unten

Betreibung auf Pfandverwertung: Art. 143b i.V.m. Art. 156 Abs. 1 SchKG 

Zweck

Erzielung eines besseren Verwertungserlöses: Der Grundgedankte dieser Bestimmung ist die Erzielung eines besseren Verwertungserlöses als bei einer Versteigerung. Es ist ein fundamentales Anliegen des Zwangsvollstreckungsverfahrens, die möglichst vollständige Befriedigung der Gläubiger herbeizuführen.  GVP AR 2000 3370 

Voraussetzungen (Abs. 1) 

Einverständnis aller Beteiligten

Zweck: Das Erfordernis des Einverständnisses aller Beteiligten will die Berechtigten vor Schaden bei einer freihändigen Verwertung schützen. OGer UR Z 16 3 (RB UR 2016/17 Nr. 2)

Beteiligte: Beteiligt sind alle Personen, welche durch einen freihändigen Verkauf zum vereinbarten Preis einen Schaden erleiden könnten und sich von einer öffentlichen Steigerung ein besseres Ergebnis erhoffen. OGer UR Z 16 3 (RB UR 2016/17 Nr. 2) Zu den Beteiligten gehören nebst dem Schuldner  BGer 5A_374/2013 E. 4.3.  auch Pfand- und Pfändungsgläubiger.  BGer 5A_374/2013 E. 4.3.  AB TI 15.97.00210 E. 1.b  Verweis: vgl. auch zu Art. 130 Ziff. 1

Zeitpunkt: Das Einverständnis der Beteiligten muss im Zeitpunkt des Abschlusses des Freihandverkaufs vorliegen. OGer UR Z 16 3 (RB UR 2016/17 Nr. 2)

Absehen von der Zustimmung: Auf die Zustimmung der Pfand- und Pfändungsgläubiger kann verzichtet werden, wenn ihre Forderungen inklusive Zinsen und Kosten durch ein vorliegendes Angebot vollständig gedeckt sind.  BGer 5A_374/2013 E. 4.3. (mit Verweis auf BGE 88 III 28 E. 5)

Unwiderruflichkeit: Die Zustimmung der Beteiligten ist der Figur der Vollmacht nach Art. 32 ff. OR angenähert, was bedeutet, dass sie grundsätzlich widerrufbar ist. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Zustimmung bis zu einem bestimmten Termin unwiderruflich erteilt werden soll.  GVP AR 2000 3370

Kommentar 1: Die Zustimmung kann nicht mit einer Vollmacht verglichen werden. Die einmal erteilte Zustimmung ist unwiderruflich.
Verweis: vgl. auch Art. 130 Ziff. 1

Erreichen des Schätzwertes

Schätzwert: Der Schätzwert entspricht dem voraussichtlichen Erlös, welcher bei einer Versteigerung oder bei einem Freihandverkauf erzielt werden kann.  AB GE DCSO/272/2019 E. 2.1.2.  AB GE DCSO/476/2018 E. 2.1.  AB GE DCSO/600/2004 E. 4.a.  Bei Grundstücken ist die Schätzung gemäss Art. 9 VZG massgeblich.  AB VD Plainte/2009/19 E. 2.b.  missverständlich  BGer 5A_849/2015 E. 4.3.  wonach ein konkretes Angebot vorliegen müsse, das die Deckung aller Beteiligten gewährleiste (mit Verweis auf BGer 5A_374/2013 E. 4.3.), andernfalls sei eine Versteigerung anzuordnen.

Massgeblicher Zeitpunkt: Unter dem Schätzwert ist jener nach abgeschlossenem Lastenbereinigungsverfahren zu verstehen.  RB UR 2016/17 Nr. 2 

Durchführung (Abs. 2)

Kein Recht zum höheren Angebot: Im Rahmen von Art. 143b SchKG besteht keine Recht der Gläubiger oder weiterer Kreise, dass ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, höhere Gebote zu unterbreiten.  BGer 5A_374/2013 E. 4.3.  –  Im Interesse einer möglichst vorteilhaften Verwertung (vgl. dazu Allgemeines) kann das Konkursamt den Gläubigern auch in der Spezialexekution das Recht einräumen, höhere Gebote zu unterbreiten.  BGer 5A_374/2013 E. 4.3.  Verweis: zum Recht zum höheren Angebot im Konkurs vgl. zu Art. 256

Beachtung der Verwertungsfristen: Auch bei der freihändigen Verwertung von Grundstücken sind die Verwertungsfristen von Art. 133 SchKG einzuhalten.  OGer ZH PS150144 E. III.2.c., E. III.4., E. III.9.

Aussetzen der Verwertung: Art. 141 SchKG, welcher es erlaubt, die Versteigerung auszusetzen, gilt auch für den Freihandverkauf.  OGer ZH PS150144 E. III.6.

Freies Ermessen des Betreibungsamtes: Auch wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, liegt es im freien Ermessen des Betreibungsamtes, ob es die Verwertung mittels Freihandverkauf vornehmen will.  AB TI 15.97.00210 E. 1.b und E. 2