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Art. 243 Abs. 2 SchKG     4. Forderungseinzug. Notverkauf

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2Die Konkursverwaltung verwertet ohne Aufschub Gegenstände, die schneller Wertverminderung ausgesetzt sind, einen kostspieligen Unterhalt erfordern oder unverhältnismässig hohe Aufbewahrungskosten verursachen. Zudem kann sie anordnen, dass Wertpapiere und andere Gegenstände, die einen Börsen- oder einen Marktpreis haben, sofort verwertet werden.

Verfahrensmässiger Anwendungsbereich

Im ordentlichen Konkursverfahren: vgl. unten

Im summarischen Konkursverfahren: Verweis: vgl. zu Art. 231 SchkG

Im Nachkonkurs (Art. 269 SchKG): Im Nachkonkurs ist ein Notverkauf als Freihandverkauf in Bezug auf neu entdeckte Vermögenswerte zulässig.

Im Hilfskonkursverfahren (Art. 166 ff. IPRG): Art. 170 Abs. 3 IPRG i.V.m. Art. 231 SchKG; vgl. zu Art. 231 SchKG

Im Bankenkonkursverfahren: Art. 243 Abs. 2 SchKG wird im Bankenkonkursverfahren durch die (teilweise gleichlautende) Regelung von Art. 31 Abs. 3 BIV-FINMA verdrängt.

Notverkauf

Besondere Umstände

Vorliegen besonderer Umstände: Ein Notverkauf erfordert das Vorliegen von besonderen Umständen, welche ein Abweichen vom normalen Verfahren rechtfertigen, wie etwa das Abwenden von Schaden, namentlich wenn feststeht, dass die Aussichten einer vorteilhafteren Verwertung der Aktiven der Masse sich im Zeitablauf merklich verschlechtern, unter Berücksichtigung der Natur und der Besonderheiten der betroffenen Aktiven. BGE 131 III 280 E. 2.1. (Pra 2006 Nr. 8) AB GE DCSO/31/2016 E. 2.1. OGer ZH PS120211 E. 5.2.2. (es handelte sich um eine komplizierte Konstellation und es „lag eine spezielle Situation vor“) AB GE DCSO/487/2006 E. 2.c., E. 2.c. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.c. AB GE DCSO/314/2005 E. 2.b.

Keine besonderen Umstände: Es soll demgegenüber kein Notverkauf erfolgen, wenn die mutmassliche Folge weniger vorteilhaft ist als bei Verwertung im normalerweise vorgesehenen Zeitpunkt. AB GE DCSO/487/2006 E. 3.b. Der Umstand alleine, dass das Verschieben der Verwertung Kosten verursacht, was immer der Fall ist, wenn es um Grundstücke geht, oder dass bis zur späteren Verwertung keine wesentlichen Erträgnisse aus dem zu verwertenden Objekt erzielt werden können, rechtfertigt keine vorzeitige Verwertung. AB GE DCSO/31/2016 E. 2.1.

Voraussetzungen

Verwertung aus ökonomischen Gründen: Eine vorzeitige Verwertung kann auch aus ökonomischen Gründen erfolgen. BGE 131 III 280 E. 2.1. (Pra 2006 Nr. 8) AB GE DCSO/31/2016 E. 2.1. AB GE DCSO/92/2006 E. 3.c. AB GE DCSO/314/2015 E. 2.b. AB GE DCSO/600/2004 E. 5.a., E. 6.a. AB GE DAS/8/2002 E. 3 BlSchK 2000 Nr. 15 E. a Ein Freihandverkauf (als Notverkauf) ist möglich, wenn ohne diesen eine erhebliche Wertminderung droht bzw. wenn ein längeres (passives) Zuwarten zu einer Wertverminderung führen kann bzw. die Vermögenswerte allenfalls zu einem geringeren Preis veräussert werden können. OGer ZH PS120211 E. 5.2.2. Ein Notverkauf kann sich auch darum als sachgerecht erweisen, weil der Vermieter das Inventar erwirbt, womit keine weiteren Mietzinse zulasten der Masse anfallen. Vorinstanz in BGE 131 III 280 E. 3.2. (Pra 2006 Nr. 8)

Einmalige Veräusserungsmöglichkeit: Ein Notverkauf ist möglich, wenn sich eine Verkaufsgelegenheit bietet, welche in dieser Art einmalig und insofern dringlich ist. OGer ZH PS120211 E. 5.2.2.

Bei Betriebsfortführung durch den Erwerber im Besonderen:  Auch ein kaufmännisches Unternehmen kann schneller Wertverminderung ausgesetzt sein und kann deshalb im Rahmen eines Notverkaufs veräussert werden, wenn sich eine vorteilhafte Möglichkeit ergibt, dieses einem Übernehmer zu guten Bedingungen zu veräussern, da Arbeitsplätze erhalten und Mietverhältnisse weitergeführt werden können. BGE 131 III 280 E. 2.1. (Pra 2006 Nr. 8) OGer ZH PS120211 E. 5.2.1. – Die kurzfristige Veräusserung von Aktiven einer konkursiten Gesellschaft kann eine Übernahme oder Weiterführung des Betriebs durch den Erwerber ermöglichen und damit für die Masse eine Gelegenheit zu einer vorteilhafteren Verwertung bieten als bei einer Verwertung im Stadium, da normalerweise Verwertungen erfolgen. Es ist anerkannt, dass ökonomische Umstände, wie die Weiterführung eines Mietvertrages und die Erhaltung von Arbeitsplätzen, dazu beitragen, um die Voraussetzungen für einen Notverkauf als gegeben zu betrachten. AB GE DCSO/647/2006 E. 2.b. (mit Verweis auf BGE 131 III 280 E. 2.1.) AB GE DCSO/92/2006 E. 2.c., E. 3.c. AB GE DCSO/487/2006 E. 2.c., E. 3.a. AB GE DCSO/314/2005 E. 2.b. AB GE DCSO/600/2004 E. 2.c. AB GE DAS/8/2002 E. 3

Berücksichtigung Interessen Dritter: Dessen ungeachtet, hat die Konkursverwaltung die Interessen der Gläubiger zu verfolgen und nicht jene der Vermieter bzw. Arbeitnehmer. AB GE DCSO/487/2006 E. 2.c., E. 3.a. Die Interessen Dritter sind nur von Bedeutung, soweit sie mit den Interessen der Masse übereinstimmen. AB GE DCSO/92/2006 E. 3.c.

Kommentar 1: Letzteres ist zu unterstreichen. Eine Betriebsfortführung durch den Übernehmer kann auch Vorteile für Arbeitnehmer, Vermieter oder andere Vertragspartner haben. Entscheidend ist jedoch einzig der Vorteil für die Gläubigergesamtheit; eine vorzeitige Verwertung darf nicht zum Nachteil der Masse und zum Vorteil Dritter erfolgen. Die Betriebsveräusserung zum Zweck der (nahtlosen) Betriebsfortführung durch den Erwerber ist damit nur ein Anwendungsfall davon, dass ein Notverkauf auch aus ökonomischen Gründen (aus Sicht der Masse) zulässig ist (vgl. oben).

Lagerungskosten: Namentlich (hohe) Lagerungskosten können einen Notverkauf begründen. AB GE DCSO/536/2018 E. 2.1.2. AB GE DCSO/535/2018 E. 2.1.1. Verweis: vgl. auch zu Art. 124 Abs. 2 SchKG 

Berücksichtigung von Leistungen oder Erträgen: Es liegt kein Notverkauf vor, wenn die Unterhaltskosten durch Verwertung der Leistungen oder Erträgnisse der zu verwertenden Objekte ganz oder zum grossten Teil gedeckt werden können. BlSchK 2000 Nr. 15 E. a  Verweis: vgl. auch zu Art. 124 SchKG

Vermeidung von Verbindlichkeiten: In einer Gesamtbetrachtung kann auch die Vermeidung von Verbindlichkeiten durch rasche Verwertung berücksichtigt werden (in casu Mietkosten nach Konkurseröffnung durch rasche Veräusserung und Übernahme der Miete durch den Erwerber bzw. Vermeidung von Lohnkosten durch Übernahme von Arbeitnehmer). AB GE DCSO/92/2006 E. 3.a. AB GE DCSO/314/2005 E. 5.

Kommentar 2: Dabei handelt es sich in der Generalexekution um Masseverbindlichkeiten (Art. 262 Abs. 1 SchKG) bzw. Erstklassforderungen (Art. 219 Abs. 4 lit. a, abis und ater SchKG), so dass deren Berücksichtigung ohne Zweifel Sinn macht. Bei Drittklassforderungen – zumal bei geringer Dividendenerwartung – verhält es sich dagegen anders.


Auslegung

Einschränkende Auslegung: Art. 243 Abs. 2 SchKG ist einschränkend auszulegen. AB GE DCSO/647/2006 E. 3.a/b. AB GE DCSO/487/2006 E. 2.c.

Weite Auslegung: Die Tatbestände von Art. 243 Abs. 2 SchKG sind in einem weiten Sinne auszulegen. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.c. AB GE DCSO/314/2005 E. 2.b. AB GE DCSO/600/2004 E. 3.b., E. 5.a.

Kommentar 3: Ziel jeder Verwertung ist es, das bestmögliche Verwertungsergebnis zu erzielen (vgl. zu Allgemeines). Dies gilt auch (sozusagen mit umgekehrten Vorzeichen) beim Notverkauf; es geht um bestmögliche Schadensabwendung. Aus diesem Grund hat m.E. keine einschränkende, sondern der ratio legis folgend eine weite Auslegung Platz zu greifen. Der Begriff „Notverkauf“ (Randtitel zu Art. 243 SchKG) ist damit zu eng gefasst. Es kann generell aus ökonomischen Gründen, namentlich bei einer vorteilhaften Verwertungsmöglichkeit eine vorzeitige Verwertung erfolgen.


Kasuistik

Notverkauf bejaht (Verweis: vgl. auch zu Art. 124 Abs. 2 SchKG)

  • Die Veräusserung eines kaufmännischen Unternehmens war zulässig, da bei einer Verwertung en bloc mehr als der von einem Experten ermittelte Schätzwert realisiert, Arbeitsplätze erhalten und das Mietverhältnis (vom Übernehmer) fortgesetzt werden konnte. BGE 131 III 280 E. 2.2. (Pra 2006 Nr. 8)
  • Die Veräusserung eines kaufmännischen Unternehmens (Produktionsmittel, bewegliche Sachen, Rohstoffe, Immaterialgüterrechte in verschiedenen Ländern, Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft, Werkzeuge und Gerätschaften) en bloc zu einem Preis, welcher ein Experte als vernünftig bezeichnete unter Übernahme gewisser Miet- und Arbeitsverhältnisse. AB GE DCSO/92/2006 E. 3.a.
  • Veräusserung von Aktien auf Beschluss der ersten Gläubigerversammlung. AB GE DCSO/31/2016 Sachverhalt A.e. und E. 2.
  • Veräusserung von Kundendateien und Informatik-Produkte, zumal es plausibel schien, dass die Konkurrenten des Erwerbers Vorteil daraus zu ziehen versuchen könnten, die Übertragung zu verhindern bzw. zu verzögern AB GE DCSO/647/2006 E. 3.a/b. AB GE DCSO/487/2006 E. 2.c., E. 3.a. (beide Entscheide betrafen denselben Sachverhalt)
  • Veräusserung von Unterhaltsverträgen, zumal die Gemeinschuldnerin nach Konkurseröffnung nicht mehr in der Lage war, die Verträge zu erfüllen AB GE DCSO/314/2005 E. 4.a.

Notverkauf verneint (Verweis: vgl. auch zu Art. 124 Abs. 2 SchKG)

  • Bei Nutztieren (in casu Legehennen) liegt in der Regel kein Notverkauf vor, weil ihre Unterhaltskosten zumindest teilweise durch ihre „Dienste“ oder Produkte (in casu Eier) gedeckt werden. BlSchK 2000 Nr. 15 E. a

Entscheid über die (vorzeitige) Verwertung

Art der Verwertung

Freihandverkauf als Notverkauf: Ein Notverkauf kann als Freihandverkauf erfolgen. BGE 131 III 280 E. 2.1. (Pra 2006 Nr. 8; mit Verweis auf BGE 76 III 102 E. 2) AB GE DCSO/378/2017 E. 1.1. Verweis: vgl. auch zu Art. 124 Abs. 2 SchKG

Freiheit, den Gläubigern im Voraus die Möglichkeit zu gewähren, Angebote zu machen: Es obliegt der Konkursverwaltung frei zu entscheiden, ob es die Umstände zulassen, allen Gläubigern die Möglichkeit einzuräumen, Angebote zu unterbreiten, bevor ein Freihandverkauf abgeschlossen wird. BGE 131 III 280 E. 2.1. (Pra 2006 Nr. 8; mit Verweis auf BGE 76 III 102 E. 2) BGer 5A_461/2013 E. 3.1.1. AB GE DCSO/314/2005 E. 2.b.

Zeitpunkt des Entscheides

Im ordentlichen Konkursverfahren: In Fällen, die keinen Aufschub dulden, entscheidet die erste oder ansonsten die zweite Gläubigerversammlung über den Verwertungsmodus bzw. den Freihandverkauf (Art. 238 Abs. 1, Art. 256 Abs. 1 SchKG). Bei Vorliegen einer Notverkaufssituation (Art. 243 Abs. 2 SchKG) ist eine Verwertung schon vor der ersten Gläubigersammlung bzw. ohne Zustimmung durch die Gläubigergesamtheit möglich. BGE 131 III 280 E. 2.1. (Pra 2006 Nr. 8) BGer 5A_27/2013 E. 4. AB GE DCSO/536/2018 E. 2.1.2., E. 2.2. AB GE DCSO/535/2018 E. 2.1.1. AB TI 15.2018.40 E. 3. OGer ZH PS120211 E. 5.2.1. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.c.

Im summarischen Konkursverfahren: In der Regel wird die Verwertung nach Ablauf der Eingabefrist durchgeführt (Art. 231 Abs. 3 Ziff. 2 SchKG). In gewissen Situationen muss die Konkursverwaltung den Ablauf der Eingabefrist nicht abwarten. Sie muss ohne Aufschub Gegenstände verwerten, die schneller Wertverminderung ausgesetzt sind, einen kostspieligen Unterhalt erfordern oder unverhältnismässig hohe Aufbewahrungskosten verursachen (Art. 243 Abs. 2 Satz 1 SchKG). BGE 131 III 280 E. 2.1. (Pra 2006 Nr. 8) AB GE DCSO/536/2018 E. 2.1.2. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.c. Die in BGE 131 III 280 E. 2.1. (Pra 2006 Nr. 8) (zum ordentlichen Konkursverfahren) genannte Regel gilt auch im summarischen Konkursverfahren. BGer 5A_27/2013 E. 4.

Entscheidkompetenz

Ermessensentscheid der Konkursverwaltung: Ob Vermögensobjekte als Notverkauf verwertet werden sollen, ist ein Ermessensentscheid der Konkursverwaltung. AB GE DCSO/535/2018 E. 2.1.1. AB GE DCSO/536/2018 E. 2.1.4., E. 2.2. AB GE DCSO/487/2006 E. 2.d. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.d. Es besteht ein Interpretationsspielraum des Konkursamtes.  CdJ GE ATA/668/2023 E. 3.3   

Folgen der Verletzung: Ein (in Ausübung des Ermessens erfolgter) unangemessener Entscheid, einen Notverkauf vorzunehmen, kann keine Nichtigkeit des Freihandverkaufs bewirken. AB GE DCSO/536/2018 E. 2.2.

Grundstücke und bewegliche Sachen mit Registereintrag: Die Regel von Art. 128 VZG in Bezug auf Grundstücke gilt analog für Flugzeuge, welche im schweizerischen oder in einen ausländischen Register eingetragen sind. AB TI 15.2018.40 E. 3.

Preis

„Fairer“ Preis: Der durch Freihandverkauf erzielte Preis muss fair sein. Der faire Preis wird nicht inhaltlich und absolut, sondern durch ein faires Verfahren bestimmt. Der Preis ist fair, wenn er in einem fairen Verfahren zustande gekommen ist. OGer ZH PS120211 E. 5.2.3. – Diesbezüglich kann auch berücksichtigt werden, dass den Gläubigern (und allenfalls Dritten) das Recht gewährt wurde, höhere Angebote zu unterbreiten. AB GE DCSO/92/2006 E. 7.e.

Keine Massgeblichkeit des Verkehrswertes: Auf eine (gutachterliche) Schätzung des Verkehrs- bzw. Liquidationswertes kommt es nicht an. Es ist notorisch, dass sich die bei laufender Geschäftstätigkeit bilanzierten Werte erheblich von denjenigen unterscheiden, die im (insolvenzrechtlichen) Liquidationsstadium erzielt werden können. OGer ZH PS120211 E. 5.2.3. Normalerweise soll der Schätzwert im Inventar mit dem mutmasslichen Erlös bei einer öffentlichen Zwangsversteigerung in der Schweiz korrespondieren. AB GE DCSO/92/2006 E. 7.d. AB GE DCSO/600/2004 E. 4.a. Es ist jedoch anerkannt, dass das Amt auf den ursprünglichen Schätzwert zurückkommen kann, wenn es die Umstände, wie etwa bei einem Notverkauf, rechtfertigen. AB GE DCSO/600/2004 E. 4.a.

Beizug eines Experten: Der Beizug eines Experten ist nicht obligatorisch (Art. 227 SchKG). AB GE DCSO/92/2006 E. 8.c. Zuweilen wird jedoch ein Experte beigezogen, um den realistischen Verwertungserlös bei einer Zwangsversteigerung zu ermitteln BGE 131 III 280 E. 2.2. (Pra 2006 Nr. 8) bzw. um den mit dem Erwerber vereinbarten Betrag zu beurteilen. AB GE DCSO/92/2006 E. 7.c.

Ausnahme/Beizug einer Fachperson: Ausnahmsweise kann es notwendig sein, eine Fachperson beizuziehen (in casu bei Verwertung bzw. Konvertierung von Kryptowährungen).  Verweis: vgl. zu Art. 266 Abs. 5 StPO

Kommentar 4: Die Praxis zeigt, dass die Aufsichtsbehörden auf die Beurteilungen von Experten bzw. von Fachpersonen abstellen (nota bene auch mangels genauerer Informationen oder Sachkenntnisse). Wenn es um wesentliche Werte geht bzw. gehen kann, ist den Vollstreckungsbehörden zu empfehlen, eine solche Beurteilung eines Experten bzw. einer Fachperson einzuholen.


Verfahrensvorschriften

Zustimmung der Pfandgläubiger (Art. 256 Abs. 2 SchKG): Das Bundesgericht hat sich noch nicht dazu ausgesprochen, ob bei einem Notverkauf von pfandbelasteten Objekten die Zustimmung der Pfandgläubiger (i.S.v. Art. 256 Abs. 2 SchKG) eingeholt werden muss. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.c.Im Rahmen des Möglichen („dans la mesure du possible“) soll auch beim Notverkauf die Zustimmung der Pfandgläubiger eingeholt werden. AB GE DCSO/378/2017 E. 1.1. AB GE DCSO/647/2006 E. 2.b. AB GE DCSO/487/2006 E. 2.d., E. 6.a. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.d. AB GE DCSO/600/2004 E. 2.c./E. 6.a.  AB GE DAS/8/2002 E. 3

Recht zum höheren Angebot (Art. 256 Abs. 3 SchKG): Ob bei einem Notverkauf das Recht zum höheren Angebot gewährt werden muss, hat das Bundesgericht offengelassen BGE 131 III 280 E. 2.1. (Pra 2006 Nr. 8) BGer 5A_27/2013 E. 3.1. AB GE DCSO/487/2006 E. 2.d. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.d. bzw. es erübrigte sich, die Frage zu erörtern. BGer 5A_893/2017 E. 3.4.3. – Den Gläubigern ist auch im Rahmen eines Notverkaufs nach Art. 243 Abs. 2 SchKG Gelegenheit zu geben, höhere Angebote zu machen, wobei die Eingabefirst kurz bemessen sein darf. OGer ZH PS120211 E. 5.2.3.Im Rahmen des Möglichen („dans la mesure du possible“) soll auch beim Notverkauf den Gläubigern das Recht eingeräumt werden, höhere Angebote zu unterbreiten. AB GE DCSO/378/2017 E. 1.1. AB GE DCSO/647/2006 E. 2.b. AB GE DCSO/487/2006 E. 2.d., E. 6.b. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.d. AB GE DCSO/600/2004 E. 2.c., E. 6.a. AB GE DAS/8/2002 E. 3

Interessenabwägung: Diese Sichtweise (der Genfer Aufsichtsbehörden) impliziert eine Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen, insbesondere der individuellen Interessen der Pfand- und der übrigen, bekannten oder möglicherweise bestehenden Gläubiger einerseits und jene der Gläubigergesamtheit an einer zielführenden Konkursabwicklung anderseits. Dabei sind die möglichen Dividendenaussichten, die mögliche Dauer des Verfahrens und die Kosten der Konkursliquidation zu berücksichtigen. AB GE DCSO/487/2006 E. 2.d. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.d.

Im initialen Stadium des Konkursverfahrens (kurz nach Konkurseröffnung) im Besonderen: Die Frage eines Notverkaufs kann sich in einem sehr frühen Stadium des Konkursverfahrens bereits stellen, wenn der Entscheid, ob und wenn ja, in welcher Form, das Konkursverfahren durchgeführt werden kann, noch nicht bestimmt ist und noch keine Publikation stattgefunden hat. In diesem Fall sind weder die Pfandgläubiger noch die sonstigen Gläubiger bekannt. Aufgrund dessen scheint es a priori logisch, einen Notverkauf auch zuzulassen, ohne die Gläubiger zu begrüssen und ohne die Zustimmung der Pfandgläubiger einzuholen. AB GE DCSO/647/2006 E. 2.a. AB GE DCSO/487/2006 E. 2.d. AB GE DCSO/92/2006 E. 2.d.

Kommentar 5: Der Sichtweise der Genfer Aufsichtsbehörde ist zuzustimmen. Soweit es die zeitlichen Umstände zulassen (was in den meisten Fällen zutreffen dürfte), sollen die Rechte der Pfandgläubiger bzw. der Gläubiger (Art. 256 Abs. 2 und 3 SchKG) gewahrt werden. Da in Fällen einer Notverkaufssituation die Frist kurz gehalten werden kann, sollte die Verzögerung wohl nicht mehr als 14 Tage betragen, was in aller Regel hinnehmbar ist. Nur wenn „Überdringlichkeit“ in dem Sinne vorliegt, dass die Verwertung keinen solchen (zeitlich beschränkten) Aufschub duldet, um die Gläubigerrechte wahren zu können, kann m.E. die Verwertung ausnahmsweise ohne Beachtung der Art. 256 Abs. 2 und 3 SchKG erfolgen. Gleiches gilt im ganz initialen Stadium des Konkursverfahrens.